Medikamentöse Therapie

Medikamentöse Therapie

Ziel einer jeden Glaukomtherapie ist es, den Sehnerv und damit das Gesichtsfeld zu erhalten und zu verhindern, dass die Krankheit fortschreitet. In aller Regel wird ein Glaukom zunächst medikamentös behandelt. Vielen Patienten kann damit geholfen werden. Doch wenn der Augendruck mit Medikamenten – und in unserem Fall heißt das: mit Augentropfen – nicht ausreichend gesenkt wird, die Tropfen nicht vertragen werden oder die Anwendung schwierig ist, gibt es gute Alternativen wie Laser- und operative Methoden.

Die medikamentöse Therapie ist in den allermeisten Fällen eine lebenslange Maßnahme. Eine systemische Therapie, also die Einnahme von Tabletten, ist nur in Ausnahmefällen z.B. bei einem akuten Glaukomanfall für eine kurzfristige Senkung des Augeninnendrucks angezeigt.

Die medikamentöse Glaukomtherapie senkt den Augeninnendruck, der – wie geschildert – ein wichtiger Risikofaktor des Glaukoms ist, wenn er höher ist als es der Drucktoleranz des individuellen Sehnervs entspricht.

Mit allen zur Verfügung stehenden Medikamenten soll ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden. Bei der Wahl des geeigneten Medikamentes richtet der Arzt sich nach der individuellen Wirksamkeit und nach den auftretenden Nebenwirkungen sowie Gegenanzeigen der einzelnen Medikamentengruppen. Bei allen Glaukommedikamenten muss auch mit Allergien gerechnet werden sowie mit Unverträglichkeiten. Diese werden meist nicht von Medikament an sich, sondern von Konservierungsmitteln verursacht – dass heute viele hochwirksame Medikamente wie zum Beispiel die Prostaglandine in konservierungsmittelfreier Form vorliegen, hat die Sicherheit und den Komfort für die Patienten beträchtlich erhöht.

Welche den Augeninnendruck senkenden Augentropfen für Sie die richtigen sind, wird Ihre Augenärztin/Ihr Augenarzt aufgrund Ihres Befundes und nach Abwägung von Nutzen und Risiken entscheiden und Ihnen im Arzt-Patientengespräch eine entsprechende Empfehlung unterbreiten.

Im Folgenden seien die wichtigsten Medikamentklassen vorgestellt – ohne dass an dieser Stelle eine Bewertung erfolgen kann. Denn den Erfolg einer Therapie beurteilt nur einer: der Patient, dessen Sehvermögen trotz Glaukom gesichert und stabil gehalten werden kann.

Prostaglandine

Prostaglandine sind Mitte der 1990er Jahre eingeführt worden und sind in den Industrienationen schnell zur wichtigsten Klasse antiglaukomatöser Medikamente geworden. Da diese Substanzen schon in sehr kleinen Mengen wirken, reicht es oft aus, sie einmal täglich zu tropfen.

Prostaglandine wirken, indem sie einen Abflussweg für das Kammerwasser nutzen (den uveo-skleralen Abfluss), der von der Natur ansonsten kaum in Anspruch genommen wird. Dadurch kann der Augeninnendruck wirksam gesenkt werden. Während der Prostaglandintherapie kann eine Augenrötung auftreten. In einigen Fällen kann sich die Iris dauerhaft verfärben. Von einigen Patienten wird als eine weitere ungewöhnliche Nebenwirkung verstärktes Wimpernwachstum beobachtet. Die wichtigsten Wirkstoffe sind Latanoprost, Travoprost und Bimatoprost.

Betablocker

Betablocker in Form von Augentropfen wurden 1978 bei uns in die Glaukomtherapie eingeführt. Die erste Substanz und die am häufigsten verordnete war das Timolol, später folgten die ebenfalls in diese Klasse gehörenden Wirkstoffe Propanolol, Betaxolol, Levobunolol, Metipranolol, Carteolol, Pindolol und Befunolol. Die Betablocker erwarben sich schnell den Ruf, der “Goldstandard” in der Glaukomtherapie zu sein und auch heute noch sind sie eine ganz wichtige Behandlungsoption. Ein unbestreitbarer Vorzug: Ärzte wie Patienten verfügen nach mehr als einem Vierteljahrhundert des Gebrauchs und angesichts von Millionen mit ihnen druckregulierter Patienten auf fünf Kontinenten über einen immensen Erfahrungsschatz, können ihren Nutzen und ihre Risiken sehr gut einschätzen und gegeneinander abwägen.

Stellt der Arzt keine Gegenanzeigen wie Asthma, niedrigen Blutdruck oder bestimmte Herzerkrankungen fest, bestehen wenig Bedenken gegen die Anwendung. Sie müssen ein- bis zweimal täglich getropft werden und verursachen in aller Regel lokal wenige Probleme. Betablocker senken den Augeninnendruck über eine Drosselung der Kammerwasserproduktion.

Karboanhydrasehemmer

Die lokalen Karboanhydrasehemmer Dorzolamid und Brinzolamid hemmen das Enzym Karboanhydrase, das die Kammerwasserproduktion reguliert. Es gibt Hinweise darauf, dass diese Substanzen auch direkt die Durchblutung an Sehnerv und Netzhaut verbessern können. Dies wäre ein großer Vorteil für alle Patienten, die zusätzlich unter durchblutungsbedingten Risikofaktoren wie z.B. Migräne, zu niedrigem oder zu hohem Blutdruck, kalten Händen oder Füßen leiden. Lokal kann nach dem Eintropfen kurzfristig zu eine Bindehautreizung auftreten und gelegentlich ein metallischer Geschmack im Mund. Lokale Karboanhydrasehemmer werden in der Monotherapie dreimal täglich angewendet und in der Kombination mit Betablockern zweimal täglich.

Alpha-Agonisten

Brimonidin ist ein weiteres innovatives Glaukommedikament, es wirkt wahrscheinlich nach einem Kombinationsprinzip, indem es die Kammerwasserproduktion senkt und einen positiven Einfluß auf dessen Abfluss hat. Die Ergebnisse von Tierversuchen lassen zusätzlich eine neuroprotektive Wirksamkeit vermuten. Nebenwirkungen können eine Blutdrucksenkung, Müdigkeit und Mundtrockenheit sein. Ältere Präparate sind Clonidin und Apraclonidin. Im Gegensatz zu diesen hat Brimonidin weniger Nebenwirkungen, da es sehr viel spezifischer auf einen bestimmten Typ Alpharezeptoren (Alpha-2-Selektivität) wirkt.

Andere Antiglaukomatosa

Der Klassiker der Glaukomtherapie ist das Pilocarpin – es wurde noch zu Zeiten des seligen Kaiser Wilhelm des Ersten eingeführt: anno 1876. Wegen seiner pupillenverengenden Wirkung (griechisch: Miosis) werden Pilocarpin und seine Verwandten auch Miotika genannt. Die enge Pupille ist zweifellos ein Nachteil: Alte Menschen mit einer zusätzlichen Linsentrübung fühlen sich durch die Miosis beeinträchtigt. Aber auch jüngere Patienten klagen über schlechtes Dämmerungssehen, Dementsprechend wird Pilocarpin heute nur noch selten verordnet.

Zu den älteren Glaukompräparaten gehören auch die bereits angesprochen Alpha-Agonisten Clonidin und Apraclonidin. Clonidin wird, so formuliert es der Schweizer Glaukomexperte Prof. Josef Flammer, wegen seiner blutdrucksenkenden Nebenwirkung (vor allem in höheren Konzentrationen) nur noch als Reservemedikament eingesetzt.

Kombinationspräparate

Kann mit der Monotherapie der Augeninnendruck nicht ausreichend gesenkt werden oder wird das Gesichtsfeld trotz guter Drucksenkung schlechter, werden in aller Regel Kombinationen eingesetzt. Als fixe Kombinationen stehen u.a. Betablocker mit Karboanhydrasehemmer und Betablocker mit Prostaglandinderivat zur Verfügung. Kombinationen haben für den Patienten mehrere Vorteile: Sie sind leichter anwendbar, belasten das Auge weniger mit Konservierungsstoffen als zwei Einzelsubstanzen und die Gefahr des „Auswascheffektes“ wird verhindert. In besonderen Fällen muss jedoch auch auf eine freie Zweier- oder gar Dreier-Therapie ausgewichen werden.

Konservierungsmittelfreie Präparate

In den letzten Jahren sind die medikamentösen Optionen um Präparate erweitert worden, ohne die manche Patienten kaum noch eine antiglaukomatöse Lokaltherapie durchführen könnten. Wie in unserem Kapitel Glaukom und Trockenes Auge ausführlich beschrieben, haben nicht nur sehr viele Glaukompatienten ein Problem mit dem Tränenfilm – bei nicht wenigen Betroffenen hat das Konservierungsmittel in den Augentropfen eine sogenannte “Sicca”-Problematik erst ausgelöst oder eine bestehende Tränenfilmstörung noch verstärkt. Inzwischen gibt es praktisch alle hier genannten Wirkstoffklassen in konservierungsmittelfreier Version – also in Einmaldosen oder in anderen Darreichungen, die auf Benzalkoniumchlorid (das bei weitem gebräuchlichste Konservierungsmittel in der Augenheilkunde) verzichten lassen.

Dies ist zweifellos ein Durchbruch – auch deswegen, weil heute auch Prostaglandine ohne Konservierungsmittel hergestellt werden können. Sowohl Bimatoprost und Tafluprost als auch Latanoprost liegen in Einmaldosisbehältern vor; ferner gibt es konservierungsmittelfreie Kombinationspräparate wie zum Beispiel Bimatoprost plus Timolol.

Konservierungsmittelfreie Präparate zu nehmen, macht nicht nur für Patienten mit empfindlichen, trockenen oder zu Entzündungen neigenden Augen Sinn. Da man nie weiß, ob nicht doch eines Tages einmal eine drucksenkende Operation erforderlich werden wird, tut man mit dem Verzicht auf Benzalkoniumchlorid seiner Bindehaut Gutes, da deren nach einem Eingriff benötigte Heilungstendenz durch Jahre der Exposition gegen dieses Konservierungsmittel gestört sein kann. Patienten mit Glaukom und Trockenem Auge sollte in Ergänzung zu einem konservierungsmittelfreien Antiglaukomatosum auch ein konservierungsfreies Tränenersatzmittel applizieren. Von diesen gibt es unterschiedliche Versionen, in Einmalportionen oder in speziellen Fläschchen (wie zum Beispiel jene, in dem das Disaccharid Trehalose angeboten wird), die ohne Konservierungsmittel auskommen.