Was ist das Trockene Auge?
Ein Unglück kommt selten allein. Diese alte (Binsen-)Weisheit gilt leider für viele Glaukompatienten. Denn zahlreiche an Glaukom leidende Menschen haben ein weiteres Augenproblem: das Trockene Auge, auch Sicca-Syndrom oder Tränenmangel genannt.
Das Trockene Auge ist eine der Krankheiten, über die Patienten in der Praxis des Augenarztes am häufigsten klagen. Das Trockene Auge tritt häufig bei älteren Menschen auf und Frauen leiden im Allgemeinen eher an Trockenen Augen als Männer, was vielfach hormonell bedingt ist, zum Beispiel durch die Einnahme der “Pille” oder Hormonschwankungen in den Wechseljahren. Allergien, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Akne und Neurodermitis, sowie rheumatische Erkrankungen gehen häufig mit dieser Erkrankung einher.
Im Vergleich zum Glaukom ist es weitaus ungefährlicher und geht nur in sehr extremen Fällen mit einer leichten Beeinträchtigung der Sehleistung einher. Dennoch, das Trockene Auge ist sehr unangenehm, denn es ist verbunden mit Brennen, Jucken und Rötungen der Augen. Trockenheits- und Fremdkörpergefühle können auftreten, die Lider können schwer und müde werden, es bilden sich zum Teil auch Lidödeme und entzündete Lidränder aus. Paradoxerweise geht es auch manchmal einher mit einem erhöhten Tränenausfluss, etwas das man bei dieser Krankheit aufgrund ihres Namens zunächst nicht erwartet. Der Tränenausfluss ist darin begründet, dass sich die Tränenflüssigkeit nicht richtig über das Auge verteilt, sondern direkt abläuft.
Wie und warum entsteht das Trockene Auge?
Warum der Tränenfilm so wichtig ist
Die äußerste Schicht unseres Augapfels ist die wohl unauffälligste: der Tränenfilm. Seine Aufgabe ist es, die sehr sensible Hornhaut feucht zu halten. Wenn diese Feuchtigkeit fehlt, wird die normalerweise klare Hornhaut trüb. Der Lidschlag verteilt den Tränenfilm und hält so die Hornhaut gleichmäßig feucht. Ausserdem ist der Tränenfilm eine erste Barriere gegen Dinge, die wir nicht im Auge haben wollen: Staubkörnchen, Allergene, Bakterien. Gegen Letztere beispielsweise verfügt der Tränenfilm über ein Eiweiß, das Lysozym, das Bakterien auflösen kann – auf natürlichere Weise als ein Antibiotikum. Wenn der Tränenfilm gestört ist, drohen dem Auge vielfältige Schäden. Dies kann bereits dann der Fall sein, wenn der Tränenfilm noch vorhanden, aber in seiner Zusammensetzung gestört ist.
Unsere Tränen – eine diffizile Komposition
Obwohl der Tränenfilm nur etwa 10 Mikrometer (also nur einen hundertstel Millimeter) dick ist, besteht er aus drei sehr unterschiedlichen Schichten. Die äußerste Schicht ist stark fetthaltig (Lipidschicht) und wird von Drüsen im Lidrand, den sogenannten Meibom-Drüsen gebildet. Die mittlere Schicht macht den grössten Anteil am Tränenfilm aus, sie ist wässrig und wird von der Tränendrüse produziert. Die innerste, direkt der Hornhaut aufliegende Schicht wird als Muzinschicht bezeichnet – Muzine sind schleimähnliche Substanzen. Für deren Produktion sind wiederum Zellen der Bindehaut zuständig.
Die Tatsache, dass drei unterschiedliche anatomische Segmente des Auges zur Produktion des Tränenfilms beitragen, macht deutlich, wie delikat die Balance der einzelnen Komponenten ist – und vermittelt eine Ahnung davon, wie störanfällig dieses feine System ist.
Der Grund und Ablauf dieses „Übels“ ist schnell und einfach erklärt: Das Auge wird nicht ausreichend benetzt, weil entweder zuwenig Tränenflüssigkeit produziert wird oder die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit nicht so ist wie sie sein sollte.
Die Tränenflüssigkeit wird wesentlich durch die Haupttränendrüse erzeugt und dient in erster Linie der Pflege und dem Schutz der Hornhaut, die gereinigt und vor dem äußeren Austrocknen bewahrt werden muss. Die Hornhaut ist eine ganz besondere Struktur, die nicht direkt durch Blutgefäße sondern von Innen über das Kammerwasser versorgt wird.
Durch jeden Lidschlag wird auf das Auge ein Tränenfilm gelegt. Der Tränenfilm bleibt normalerweise für mehr als 10 Sekunden aufrechterhalten, dann reißt er auf, meist nicht vor dem nächsten Lidschlag. Ist die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit verändert oder durch andere Einflüsse beeinflusst, dann verkürzt sich die Tränenfilmaufrisszeit auf Werte, die unter 5 Sekunden liegen können. Es häufen sich somit Situationen, in denen das Epithel direkt den Einflüssen der Außenwelt ausgesetzt ist und es entstehen trockene Stellen auf der Hornhaut, sogenannte „dry spots“ oder „Trockene Stellen“.
Der Augenarzt kann solche trockenen Stellen durch einfache Tests, z.B. durch Färbung des Tränenfilms mit Fluoreszein feststellen und auch die Tränenfilmaufrisszeit messen. Die folgende Abbildung zeigt ein Bild des Auges, die Trockenen Stellen (dunkel) wurden durch Anfärbung sichtbar gemacht.
Der gesunde Tränenfilm besteht aus drei flüssigen Schichten. Mit der inneren dünnen Schleimschicht, der Mucinschicht, haftet der Tränenfilm auf der Horn- und Bindehaut. Die mittlere Schicht ist die dickste, sie ist wässrig und enthält Antikörper und keimabtötende Substanzen. Obenauf schwimmt eine sehr dünne Fettschicht, die von den Talg- und Schweißdrüsen der Lidränder produziert wird. Diese stabilisiert den Tränenfilm und verleiht ihm die nötige Oberflächenspannung. Sie sorgt dafür, dass der Film nicht aufreißt und die Tränenflüssigkeit über die Lidkante abläuft und sie verhindert eine zu schnelle Verdunstung der wässerigen Schicht. Es kann untersucht werden, ob die Fettschicht zu dünn ist oder andere Beeinträchtigungen des Tränenfilms vorliegen.
Wie wird das Trockene Auge behandelt?
In den meisten Fällen wird die Ursache für das Trockene Auge jedoch nicht gefunden und die Therapie beschränkt sich auf die Linderung der Symptome. Eine ausreichende Benetzung kann durch einen Verschluss der Tränenpünktchen, das sind zwei Stellen am oberen und unteren Lidrand an denen die Tränenflüssigkeit über Kanäle in den Tränensack abfließt, wiederhergestellt werden. Andererseits können Tränenersatzmittel, sogenannte „künstliche Tränen“, getropft werden. Für verschiedene Schweregrade stehen mehr oder weniger dünnflüssige Präparate oder auch Salben zur Verfügung.
Im Übrigen sollte der Patient darauf achten, dass er ausreichend trinkt, die Wohnräume gut belüftet sind, möglichst Luftbefeuchter Verwendung finden und man sich von Lüftern und Gebläsen fernhält. Der Verzicht auf Zigaretten, eine vitaminreiche Kost und ausreichend Schlaf mildern die Symptome. Filter von Autoklimaanlagen sollten regelmäßig gereinigt werden.
Was sollten insbesondere Glaukompatienten beachten?
Augentropfen, die mehrfach benutzt werden, müssen nach Vorschrift durch den Gesetzgeber ein Konservierungsmittel enthalten, um eine Kontamination der Tropfen mit Keimen zu verhindern: Benzalkoniumchlorid (BAC) ist das gebräuchlichste dieser Konservierungsmittel. Dass es auf die feinen anatomischen Strukturen des Auges einen toxischen Effekt haben kann, ist schon in den 1940er Jahren erstmals beschrieben worden. Dennoch wird es bei kurzzeitiger Einnahme in aller Regel gut vertragen – also zum Beispiel als Bestandteil von antientzündlichen Augentropfen, wie man sie bei einer Bindehautentzündung für wenige Tage einträufelt. Ein Glaukompatient indes muß über viele Jahre tagtäglich Augentropfen anwenden – und setzt dabei bis zum Aufkommen von Alternativen seine Bindehaut, seine Hornhaut und seinen Tränenfilm einem permanenten Kontakt mit diesem potentiell zellschädigenden (zytotoxischen) Stoff aus. Heute sind sich viele Augenärzte sicher: was immer Glaukompatienten nach dem Einträufeln ihrer Tropfen an Missempfindungen haben mögen, ob Brennen, Stechen, Rötung oder Fremdkörpergefühl, rührt gar nicht so sehr vor der eigentlichen Wirksubstanz – dem Betablocker, dem Prostaglandin, dem Karboanhydrasehemmer – her, sondern dürfte meist auf das Konservierungsmittel zurückzuführen sein.
Benzalkoniumchlorid
BAC kann auf verschiedene Zelltypen der Augenoberfläche eine schädigende Wirkung ausüben. An den Epithelzellen der Hornhaut wurden Entzündungszeichen sowie ein Anschwellen dieser Zellen beobachtet werden, darüber hinaus können die Kontakte zwischen diesen Zellen durch BAC gelockert werden. An der Bindehaut zeigten Laboruntersuchungen, dass die Zahl der Becherzellen in Abhängigkeit von der zugeführten BAC-Konzentration abnahm – also jener Zellen, die für die Produktion eines der drei Bestandteile des Tränenfilms, der Muzinschicht, verantwortlich sind. Doch auch auf die wässrige Schicht, den Hauptbestandteil des Tränenfilms wirkt BAC höchst nachteilig: das Konservierungsmittel fördert die verstärkte Verdunstung dieser Schicht.
Unabhängig von den zellschädigenden Wirkungen können BAC und die anderen Konservierungsmittel in Augentropfen eine allergische Reaktion auslösen. Die von Konservierungsmitteln verursachten Probleme stellen für Augenärzte heute eine der Hauptursachen der Achillesferse der medikamentösen Glaukomtherapie dar: der Non-Compliance. Hierunter versteht man die Nichtbefolgung der ärztlichen Verordnung – wenn Glaukompatienten aus Angst vor Beschwerden ihre Tropfen nicht regelmäßig – oder gar nicht – einträufeln. Und damit ihren Sehnerv gefährden.
“Dank” Konservierungsmitteln: schlechtere OP-Prognose
Wie an anderer Stelle von glaukom.de geschildert, kann man das wesentliche Ziel der Glaukomtherapie, die (möglichst dauerhafte) Senkung des Augeninnendruckes oft auch mit einer Operation erreichen. Wenn ein Auge indes jahrelang Konservierungsmitteln wie BAC ausgesetzt wurde, liegen häufig chronische Schädigungen an den Zellen der Bindehaut vor. Deren Funktion ist allerdings eine Voraussetzung für eine gute postoperative Wundheilung, vor allem nach der Trabekulektomie, die nach wie vor der “Goldstandard” der Glaukomchirurgie ist. Manche Experten sehen einen negativen Zusammenhang zwischen der Dauer einer BAC-haltigen drucksenkenden Therapie und einem Operationserfolg. Vereinfacht ausgedrückt: je länger die Augenoberfläche BAC und anderen Konservierungsmitteln ausgesetzt war, desto geringer dürfte die Chance auf einen dauerhaften Erfolg der Glaukomoperation sein. BAC bewirkt chronische Entzündungszustände auf der Augenoberfläche, die nach einer fistulierenden Glaukomoperation wie der Trabekulektomie zu einer überschießenden Narbenbildung führen – und damit den Operationserfolg zunichte machen.
Konservierungsmittelfreie Augentropfen in der Glaukomtherapie
Eine Reihe von Studien hat inzwischen belegt, dass bestimmte Glaukommedikamente in unkonservierter Form genau so gut den Augeninnendruck senken wie mit einem Konservierungsmittel. Über Jahre nämlich wurde das Argument zugunsten des BAC gebraucht, dass dieses Konservierungsmittel überhaupt erst das Eindringen des Wirkstoffes in das Auge und damit seinen therapeutischen Erfolg möglich macht – das Aufbrechen der Bindungen zwischen den Zellen der Hornhaut wirkt geradezu wie ein “Türöffner” und fördert die Penetration des eigentlichen Medikamentes ins Auge hinein. Auch Prostaglandine gibt es inzwischen konservierungsmittelfrei.
Wer besonders vom Verzicht auf Konservierungsmittel profitiert
Patienten mit Trockenem Auge sollten grundsätzlich auf Konservierungsmittel verzichten. Dies gilt vor allem dann, wenn sie neben dem Glaukommedikament noch (natürlich möglichst ebenfalls unkonservierte) künstliche Tränen nehmen. Darüber hinaus sind konservierungsmittelfreie Präparate auch für jene Patienten ratsam, bei denen abzusehen ist, dass sie recht viele Augentropfen über die Jahre werden einnehmen müssen. Dies sind zum einen Patienten, die täglich mehrere unterschiedliche Präparate applizieren und zum anderen junge Patienten – bei denen abzusehen ist, dass sie viele Jahre tropfen müssen und denen eine Schädigung von Tränenfilm, Bindehaut und Hornhaut möglichst erspart werden sollte.
Wie Glaukompatienten mit ihrem Trockenen Auge leben können
Da für die Mehrheit der Glaukompatienten die Einnahme von Augentropfen die Therapie der Wahl ist, stellt die Anwendung von völlig konservierungsmittelfreien Tropfen die vielleicht grösste Chance dar, um das Tränenfilmproblem in den Griff zu bekommen und die Symptomatik zu verbessern.
Neben diesem Verzicht auf BAC und andere Konservierungsstoffe ist eine Unterstützung des Tränenfilms meist unverzichtbar. Es gibt eine grosse Auswahl von Tränenersatzmitteln (“Künstlichen Tränen”) auf Basis verschiedener Substanzen wie Polyvinylakohol, Natriumhyaluronat und Methylzellulose. Ganz wichtig ist auch hier, wie bei der Wahl des Glaukommedikamentes: diese Präparate sollten in konservierungsmittelfreier Version angewendet werden, da man sonst in einem Teufelskreis kommt. Für besonders schwere Fälle von Trockenem Auge gibt es weitere Optionen wie die Anwendung von Entzündungshemmern zur Unterdrückung der häufig vorhandenen entzündlichen Komponente der Tränenfilmstörung und der Verschluss der ableitenden Tränenwege durch Punctum plugs, kleine in die Tränenpünktchen einzuführenden Kunststoffpfropfen.